Brunnenentwurf für Pirna
Frank Haase
Entwurf zur Gestaltung des Brunnens am unteren Markt in Pirna
Kunst im öffentlichen Raum: Cortenstahl, Edelstahl, QR-Codes 2015
Circa 346 x 235 x 240 cm
– Nicht realisierter Wettbewerbsbeitrag –
Entwurf für den Brunnen am unteren Markt in Pirna
Bei diesem Entwurf für die Neugestaltung eines Marktbrunnens in Pirna handelt es sich um einen Wettbewerbsbeitrag aus dem Jahr 2015. Unter Beibehaltung des bestehenden Troges aus Sandstein aus dem Jahr 1905 sollte eine neue Brunnenplastik erstellt werden. Der vorliegende Brunnenentwurf stellt vor allem zwei Ziele in den Vordergrund: Die Erstellung einer vandalismussicheren Konstruktion aus unempfindlichen Materialien sowie die thematische Berücksichtigung möglichst vieler Anregungen und Wünsche aus der Bürgerschaft Pirnas innerhalb des vorgegebenen Budgets.
Der Grundkörper
Auf einem standsicheren Grundgestell befindet sich ein 2,5 Meter hoher Quader aus 10 mm starken Cortenstahl-Platten. Dieses Material mit seiner rauen patinierten Oberfläche steht für Vergangenheit und Beständigkeit. Cortenstahl rostet nicht durch, sondern bildet an seiner Oberfläche eine Schutzschicht gegen die weitere Korrosion. Das Dach dieses Quaders bildet eine wenige Zentimeter tiefe Wanne, in die Wasser aus dem Brunnen gepumpt wird. Über die langen Seiten des Grundkörpers fließt dieses Wasser wie ein Vorhang in die Tiefe.
Bildtafeln als Applikationen
An allen vier Seiten des Cortenstahl-Quaders sind Tafeln aus gebürstetem Edelstahl angebracht, die in unterschiedlicher Form zugeschnitten beziehungsweise mit verschiedenen Motiven bedruckt sind. Mittels Abstandhalter scheinen sie vor den Wänden zu schweben. Mit ihren glänzenden Oberflächen bilden diese Tafeln einen reizvollen Kontrast zu den mit „Edelrost“ patinierten und dunklen Rückwänden. An den Längsseiten fließt der Wasservorhang zwischen den Edelstahltafeln und den Cortenstahlwänden in den Brunnentrog.
Kultur und Weltoffenheit
Eine der beiden unterschiedlich gestalteten Längsseiten nimmt Bezug auf den Markt der Kulturen, der alljährlich im Zentrum Pirnas stattfindet. Eine aus Edelstahl gelaserte Figurengruppe stellt fremdländische Tänzerinnen und Musiker dar. Ein unter den Figuren in den Stahl geätzter QR-Code verlinkt direkt auf die Homepage zur Veranstaltung „Markt der Kulturen“ sowie auf weitere kulturelle Events in Pirna. Nutzer von Smartphones und Tablets können so direkt am Brunnen Informationen zu den Veranstaltungen abrufen und betrachten. Durch die am Brunnentrog stilisierten Stufen wirkt die Figurengruppe wie auf einer Bühne. Das hinter den Figuren herabfließende Wasser vermittelt einen Eindruck von Frische und Abkühlung.
Der Birnbaum als Zeichen Pirnas
An den beiden Stirnseiten des Quaders ragen metallische Birnbäume aus dem Brunnentrog. Ausreichende Materialstärken sorgen auch hier für Schutz gegen Vandalismus. Die konvexen Wölbungen an den kurzen Sandstein-Trogseiten wirken wie überdimensionale Pflanzgefäße für die Stahlbäume.
Kommunikation und Interaktion
Um möglichst viele Anregungen aus der Bürgerschaft zu berücksichtigen und um einen möglichst großen Zuspruch seitens der Bevölkerung zu generieren, ist dieser Brunnenentwurf nicht einem einzelnen ausgewählten Thema unterstellt. Stattdessen soll der Brunnen wieder – wie zu früheren Zeiten allgemein üblich – zu einem Ort der Kommunikation, zu einem Ort der Information und des Austausches werden. Zu diesem Zweck gibt es zu den Edelstahltafeln mit den Wappen der Partnerstädte, zu den Edelstahltafeln mit den Motiven aus der Geschichte Pirnas und der silhouettenhaften Darstellung einer Szene aus dem Markt der Kulturen noch weitere Edelstahltafeln mit aufgedruckten oder ausgelaserten QR-Codes. Durch Scannen dieser QR-Codes mit dem Smartphone oder mit einem Tablet gelangen Betrachter schnell und komfortabel auf spezielle Internet-Seiten. Dieses Verfahren, in der Informationstechnologie als Mobile Tagging bezeichnet, ist mittlerweile etabliert und wird in der Werbung sehr häufig eingesetzt.
Jeder kann mitmachen
Die über die QR-Codes aufrufbaren Internetseiten können beispielsweise Grußbotschaften der Partnerstädte, Daten, Fakten, Bilder und Filme zur Geschichte Pirnas oder direkte Verlinkungen zu kulturellen Veranstaltungen – wie beispielsweise den Markt der Kulturen – enthalten. Auch interaktive Bereiche, wie ein digitales Pirna-Gästebuch, sind vorstellbar. Zur Erstellung dieser digitalen Inhalte kann den Partnerstädten angeboten werden, eigene Grußbotschaften an Pirna zu erstellen. Diese Grußbotschaften können Porträts der Partnerstädte ebenso enthalten wie Videobotschaften der Bürgermeister oder Filmbeiträge. So können sich die Partnerstädte direkt am Brunnen in Pirna in sympathischer Art und Weise vorstellen und der Brunnen wird zu einem echten Zentrum der Vernetzung und Außenbeziehungen Pirnas. In die Erstellung der über die Brunnenskulptur aufrufbaren Internet-Inhalte zur Geschichte Pirnas können Schulklassen ebenso einbezogen werden wie Vereine und Historiker. So kann die Brunnenskulptur eine Fülle neuer Projekte generieren, die Partnerschaft und Gemeinsinn fördern. Die digitalen Inhalte im Internet können dabei auch nach der Aufstellung der physischen Brunnenskulptur jederzeit weiterentwickelt, verändert und erweitert werden. Ein Umbau am Brunnen oder eine Änderung der QR-Codes ist dazu nicht notwendig. Dieser Brunnenentwurf geht weit über die Aufgabenstellung des Wettbewerbs hinaus. Er bezieht über die physische Gestaltungsebene hinaus eine digitale Ebene mit ein. Er ist analog und digital, materiell und immateriell, statisch und dynamisch zugleich. Die QR-Codes stellen dabei das Bindeglied zwischen dem stählernen Brunnen und den dazugehörigen Internet-Inhalten dar. Letztere sind variabel und garantieren damit eine immerwährende Aktualität des Brunnens, der wieder zu einem Ort der Information und der Kommunikation wird. Pirna hätte in dieser Form einen Brunnen erhalten, der einzigartig in Deutschland wäre. Konzept und Entwurf wurden leider nicht prämiert und die Jury gab einem anderen Entwurf den Vorzug.